Donnerstag, 23. August 2012

Feminismus Teil 2- generisches Maskulinum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

"Ein Hund in einer Gruppe von 40 Frauen reicht aus, um aus dem weiblichen Plural „elles“ ein männliches „ils“ zu machen. "                 

Benoîte Groult franz. Schriftstellerin  


Das Binnen-I nervt dich, wenn du wissenschaftliche Aufsätze schreiben musst?
Das Argument, dass Sprache männlich geprägt ist, findest du kleinkariert?
Fragen wir zu diesem Thema die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch, Professorin für Sprachwissenschaft, Schriftstellerin, Publizistin und  Begründerin des Binnen-Is. 
"Das Maskulinum gilt als neutral, ist es aber in Wirklichkeit nicht. Die Normalform ist männlich und das heißt, der Mann ist Norm, die Frau ist immer zweite Wahl. Sie ist nicht die Standardversion. Das ist fundamental ungerecht, den meisten aber gar nicht bewusst. Die feministische Sprachkritik hat 30 Jahre lang daran gearbeitet, das bewusst zu machen und Gegenmittel zu ergreifen. Ich sage immer, die deutsche Sprache verbirgt oder versteckt die Frau besser als jede Burka. Unter einer Burka steckt eine Frau und in Umrissen ist sie auch erkennbar. Aber unsere Sprache bringt die Frauen sprachlich zum Verschwinden. Da denkt niemand mehr an Frauen, wenn wir sagen: "In diesem Chor sind 100 Sänger."
Das komplette Interview von Luise Pusch für die Deutsche Welle "Das Maskulinum ist nicht mehr, was es war" 


[Luise Pusch stellt auf fembio nicht nur sprachwissenschaftliche Überlegungen an. Der Verein FemBio Frauen-Biographieforschung e.V. stellt  über 30.000 Biografien von Frauen aus Wissenschaft, Kultur etc. zur Verfügung, mit einem hervorragendem Suchsystem.]

Der Sprachwisenschaftler Anatol Stefanowitsch untersucht auf Sprachlog unter anderem die (Geschlechter-)Gerechtigkeit der Sprache. In seinem Post Frauen natürlich ausgenommen befasst er sich mit der sprachlichen Kenntlichmachung von Frauen, etwa durch explizite Nennung beider Genera (Studentinnen und Studenten), durch kombinierte Formen wie die Schrägstrichform (Student/innen) oder das Binnen-I (StudentInnen) oder durch die Schaffung inklusiver Formen (Studierende) und vor allem mit den Argumenten dagegen.


Die vorherrschenden Argumente dagegen:

  1. Das „generische Maskulinum“ sei nun einmal weit verbreitet und jeder wisse, dass Frauen hier eingeschlossen seien. Es sei deshalb albern/überflüssig/Teil eines Plans zur feministischen Weltherrschaft, auf sprachlichen Alternativen zu bestehen.
  2. Geschlechtsneutrale und geschlechtergerechte Formulierungen seien umständlich und behinderten das Leseverständnis.

"Wenn diese Aussagen stimmen würden, wäre das nicht unbedingt ein Grund, auf eine sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter zu verzichten. Es ist auch umständlich und überflüssig, die Flagge eines Staatsgastes vor dem Reichstagsgebäude zu hissen, Menschen nett zu begrüßen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen oder mit Messer und Gabel zu essen. Trotzdem gelten diese Gesten als Zeichen von Respekt, Interesse und gutem Benehmen. Genauso könnte es umständlich und überflüssig sein, statt eines „generischen Maskulinums“ eine der anderen Alternativen zu verwenden -- ein Zeichen für das Ziel einer allgemeinen Gleichberechtigung wäre es trotzdem."

Nach seinen Untersuchungen, die fundierte Studien und Experimente über die Landesgrenzen hinaus beinhalten, kommt Stefanowitsch zu dem Schluss:
"Geschlechtergerechte Sprache hat keinen negativen Einfluss auf die Verständlichkeit und Lesbarkeit von Texten.
Wohl aber hat sie einen Einfluss auf die Einbildung männlicher Leser. Im Deutschen gibt es kein generisches Maskulinum und die „generische“ Verwendung maskuliner Formen bringt keinen praktischen Vorteil mit sich. Das braucht natürlich niemanden davon abzuhalten, trotzdem auf maskulinen Formen zu beharren. Es zwingt aber jeden, der darauf beharrt, über seine Motive dafür noch einmal gründlich nachzudenken.

Der komplette Artikel von Stefanowitsch:  Frauen natürlich ausgenommen

Weitere Links und Interviews:

Anna Babka auf denkwerkstatt  Binnen-I, Unterstrich und Sprachreinheit
Luise Pusch in der TAZ "Worte sind die Sache selber"

Die Meinungen wie Frauen in der Sprache kenntlich gemacht werden sollen, gehen auseinander. Es besteht noch viel Unsicherheit, die sich aber durchaus lustig auswirken kann. Für mich, als ehemalige "Binnen-I ist nervig"- Sagerin, steht fest, Hauptsache die Frau wird genannt. Der Aufwand lohnt sich. In meinem Büro habe ich in den Rechnungsvorlagen prompt das Wort Bearbeiter durch Bearbeiterin ersetzt. Die Rechnungen werden nur von zwei Mitarbeiterinnen geschrieben. Warum sollte man daher die Formulierung "Bearbeiter" wählen? In diesem Fall war die Durchsetzung der Kenntlichmachung einfach. Ich habe das Sagen im Büro und durch das Fehlen männlicher Mitarbeiter war die Auswahl zwischen Binnen-I oder Nennung beider Genera nicht notwendig. In Texten ersetzte ich ab und an das verallgemeinernde Wort "man" durch "frau". Als kleinen, sprachlich vielleicht unsauberen, aber gut gemeinten Hinweis für die LeserInnen. Aber Sprache ist lebendig und das, was wir daraus machen. ( Obwohl der Wortstamm von "man" nicht unbedingt auf das Männliche zurück zu führen ist) Das Binnen-I ist mir leider noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen, aber umso mehr ich über die psychologischen Zusammenhänge erfahre, desto mehr motiviert es mich, einen sorgfältigen Blick darauf zu werfen. Lese ich StudentInnen, Geschäftführer/in, KundInnen, TeilnehmerInnnen etc. fühle ich mich automatisch eher angesprochen und als Teil der Gemeinschaft.


1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für diese Zusammenstellung & deine Gedanken dazu. Ich hatte erst neulich eine Auseinandersetzung mit einer Dozentin,die meinte,mir für die Benutzung des Binnen-i's Notenabzug in der Hausarbeit geben zu müssen,weil es den Lesefluss erheblich stören würde. Argh.

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