Montag, 8. Oktober 2012

Nicht nur labern- von der Illusion des Safe space

Ich habe in der letzten Woche viel über Engagment gegen *ismen im Netz und in der realen Welt nachgedacht. Aufhänger war ein rassistischer Vorfall bei der "Mädchenmannschaft wird 5 Party". Ich war nicht auf der Party, aber die Reaktionen darauf ließen mich aufhorchen. Mädchenmannschaft ist eine feministische website die mit viel Sensibilität, Genderthemen, Sexismus, Trans-Themen etc. anspricht. Geht es um Machos und Ungerechtigkeiten wird dabei auch ordentlich auf den Tisch gehauen. Wie kann es allso sein das auf einer Veranstaltung des Vereins zu einem Rassismusvorfall kommen kann? Die Initiatorinnen des Slutwalks wurden eingeladen. Laut  Besucherinnen der Veranstaltung wurde rassistischer Mist reproduziert, was, so der Vorwurf, voraus zu sehen war(?). Der Slutwalk provozierte vor kurzem durch Blackfacing und Burkatragen ( von weißen Westlerinnen ). Darüber wurde anscheinend derart einseitig diskutiert und es fielen rassistische (unwidersprochene?) Aussagen, so dass einige Frauen die nicht dem Kriterium weiße cis Frau entsprachen, den Raum verließen. Die Moderatorinnen hatten versagt. Das Publikum griff nur zaghaft ein. Hinterher gab es einen großen Aufschrei im Netz, zum Teil mit konstruktiven Vorschlägen für zukünftige Veranstaltungen. Aber meistens rochen die Kommentare für mich stark nach dem Versuch das schlechte Gewissen zu beruhigen in dem man auf die vermeintlich "Schuldigen" zeigt, und von sich selbst ablenkt, vielleicht als Ausgleich für das fehlende Engagement als es tatsächlich passierte?!

Hauptsächlich unter sich zu bleiben und in einem sprachlich mir manchmal zu akademischen Kreis zu quatschen, hat nicht automatisch faires Verhalten im Alltag zur Folge. 

Dabei fasse ich mir auch selbst an die eigene Nase. In der Theorie ist ja alles schön und gut: Frau kennt feministisches Vokabular, liest die Emma , diverse feministische Blogs, unterschreibt Petitionen auf campact, schreibt Briefe gegen sexistischen Werbemüll an den Werberat, diskutiert mit FreundInnen darüber, schreibt Kommentare auf anderen Blogs oder Online-Magazinen.

Aber so ganz in echt? Was tun wir da? In der U-Bahn, auf der Arbeit, auf Parties, bei Freunden und Familie?

Haben wir den Schneid und das Rückrat, auch auf die Gefahr hin das die Stimmung kippt und es sehr frustrierend sein kann, für unsere Wertevorstellungen und Ideale einzustehen? Nehmen wir in Kauf Freundschaften zu verlieren oder aktiv aufzukündigen, wenn jemand besoffen z. B. Unsinn über den 2. Weltkrieg labert? Wenn Kumpels sexistischen Scheiß verbreiten und Fragen stellen wie "Ist Feminismus nicht auch sowas wie Terrorismus, nur von fanatischen Weibern?"  Welche von euch jetzt sofort "Na klar, immer!" ruft, sollte mal aufzählen wann Sie sich in letzter Zeit kritisch im Real life damit auseinander gesetzt hat. Es ist schon verdammt schwer und anstrengend gegen den sexistischen Scheiß der einen selbst betrifft anzustinken, für Andere einzutreten steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt. Erst recht wenn man eine privilegierte Cis-Frau ist und somit von Rassismus nicht selbst betroffen ist, wie geschehen auf der MM wird 5 Party.

Es gibt keinen Safe space

Wir können uns nicht zurück lehnen und darauf vertrauen das in unserer kleinen kuschelig eingerichteten Realität mit ausgesuchten Freunden und Hobbys  keine *ismen produziert werden. Auch auf einer feministischen Veranstaltung kann, Überraschung! rassistischer Mist produziert werden. Der safe space muss immer wieder neu erkämpft und geschaffen werden. Klar können Veranstalter Einiges dazu beitragen das so etwas nicht ungeschoren passieren kann, aber das spricht Keine davon frei selbst etwas gegen das Unrecht zu tun.

Woc, Poc, Pc, Cis - WTF?

Neue Worte finden, Dinge politisch korrekt zu benennen ist wichtig. Akademisches Gefasel das nur ausgwählte NetzteilnehmerInnen verstehen ist elitär. Manche Feministen im Netz, oft mit akademischem Hintergrund, kommen mir wenn es um das korrekte Vokabular geht, oft belehrend und besserwisserisch rüber. Meine Schwester, Mutter und sogar viele gleichaltrige Freundinnen bewegen sich nicht, oder nur wenig in feministischen Netzwerken. Sie lesen die Axel Springer Presse und heimlich auf meinem Klo die Emma (Manche trauen sich sogar sie ganz offen auszuleihen).  Grenzen wir uns zu sehr ab? Ändern wir die Gesellschaft wenn wir durch die Abgrenzung nur wenig neue Frauen und Männer ansprechen und im kleinem Kreis bleiben? Frauen mit weniger akademischem Hintergrund schrecken Berichte und Artikel die oft zu trocken geschrieben sind und von Fachbegriffen nur so strotzen ab. Mir fehlt manchmal der Humor und der Kampfgeist in feministischen Texten. 

Wer ist die Adressat? ( Nein das ist kein Schreibfehler, sondern Sprache feminisieren á la Frau Pusch). Nicht jede hat Lust sich durch ewig viel Literatur zu kämpfen um halbwegs mitreden zu können. Frau muss nicht Simone de Beauvoir gelesen haben, um zu verstehen was ungerecht in der Welt läuft. Luise Pusch ist mit ihren Glossen eine humorvolle Ausnahme und trotzdem fachlich fundiert. Das Buch von Kaitlin Morgan- "Wie ich lernte eine Frau zu sein" auch. Es muss ja nicht betont locker, in Jugendsprache und ausschließlich kleinen verdaulichen Häppchen formuliert werden, aber etwas weniger akademisch täte gut. Trotz Interesse fällt es mit manchmal schwer Texte zu Ende zu lesen. Bei dem Ganzen Cis, Poc, Woc, Gender und Equity Feminismus verliere ich das Wesentliche leider manchmal aus den Augen. Geschlechtergerechtigkeit betrifft doch den schnöden Alltag aller Frauen, wieso liest es sich oft so, als ginge es nur um eine kleine Gruppe Eingeweihter?

Wollen wir nur unter uns bleiben?

Mich nervt es natürlich auch wenn ich zum hundertsten Mal erklären muss was Sexismus ist und warum Dieses und Jenes ungerecht ist. Aber die Lösung ist doch nicht das wir feministisches Wissen voraussetzen und generell lieber anprangern, anstatt zu erklären warum das Gesagte, Geschriebene gerade scheiße war. Ich möchte auch unterscheiden zwischen Leuten die Mist produzieren und Leuten die interessiert (-naiv) zu feministischen Themen nachfragen. Klar heiße ich nicht google, aber wenn ich in Stimmung bin und der Person ein gesundes Gerechtigkeitsempfinden zutraue, dann nehme ich mir die Zeit und mache den Erklärbär. Es gibt allerdings ein Troll/Maskulisten Auschlussverfahren. Mit denen diskutiere ich nicht, denen trete ich nur verbal in den Arsch.

1 Kommentar:

  1. danke für diesen beitrag. ich habe selber oft das gefühl, dass sich so manche_r bei feministischen themen im netz zurückhält, weil er_sie das von dir angesprochene vokabular nicht beherrscht - und angst hat, hochtrabend niedergeredet zu werden (ich spreche auch aus eigener erfahrung). ich finde es zum beispiel unmöglich, wenn wer interesse an bestimmten abkürzungen oder zuordnungen zeigt, nachfragt und dann angefahren wird, er/sie solle doch selber googlen, anstatt arroganterweise eine erklärung von anderen zu verlangen - manchmal ist solches nachfragen vielleicht zynisch gemeint, aber oft, so scheint mir, einfach ehrlich. warum solche chancen verstreichen zu lassen? google ist nämlich nicht feministisch oder antirassistisch. wir feministinnen brauchen jede frau auf unserer seite - auch die nicht-akademischen. besonders die, würde ich meinen!!

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