Samstag, 1. September 2012

Teil 3 - r*pe culture

Triggerwarnung: Vergewaltigungsmythen, victim blaming

Im Teil 1 habe ich mich mit Sexismus, Stereotype, male privilege, Frauenquote, What about teh menz und meiner persönlichen Definition von Feminismus befasst. Der Teil 2  handelte vom generischem Maskulinum. In dem 3. Teil befasse ich mich mit R*pe culture, im Besonderen mit Vergewaltigungsmythen.

Vergewaltigungsmythen

Rund 39 % aller Frauen werden mindestens einmal in ihrem Leben Opfer sexueller
Gewalt. Was sind nun diese Mythen und wie beeinflussen sie unser Handeln?
Nicola Brosi hat in ihrer Studie Vergewaltigungsmythen und deren Akzeptanz in der Gesellschaft untersucht.

Vergewaltigungsmythen (VM), ein Begriff, der von der amerikanischen feministischen Forschung der 70er Jahre geprägt worden ist, können als deskriptive oder präskriptive Überzeugungen über Vergewaltigung (d.h. über Ursachen, Kontext, Folgen, Täter, Opfer und deren Interaktion) definiert werden, die dazu dienen, sexuelle Gewalt von Männern gegen Frauen zu leugnen, zu verharmlosen oder zu rechtfertigen.

"Es bleibt festzustellen, dass Vergewaltigungsmythen weit verbreitet sind und Männer stärker an sie glauben als Frauen."

1. Wer sich nicht wehrt, will es auch

Angst um Leib und Leben,  Schockstarre, "damit es hoffentlich schnell vorbei geht", ihn nicht noch "zusätzlich anzufeuern". Die Angst, das Gegenwehr die Gewalttätigkeit sogar noch steigert. Das alles sind nachvollziehbare Gründe warum Frauen sich in dieser Situation nicht wehren. Das bedeutet nicht, dass damit ein Einverständnis einher geht! Wie sehr sich die Justiz davon, ob Gegenwehr bestand oder nicht, in ihrer Urteilsfindung beeinflussen lässt, zeigt der erschreckende Bericht  vergewaltigung-strafloses-verbrechen auf Emma.

Angebliche Grauzonen Opfer kannte den Täter/hat nicht klar nein gesagt/Opfer hat sich nicht gewehrt, gerade wenn keine (nachweisbare) körperliche Gewalt benutzt wurde,  kann man mit dem Zustimmungskonzept umgehen. Nicht mehr "Nein heißt Nein" sondern "Ja meint Ja" ist die Devise. Der Konsens zum Sex kann offensiv gesucht werden. Yes Means Yes von Jaclyn Friedman und Jessica Valenti.


 

2. Der Mann der aus dem Busch sprang

Bei Vergewaltigungen sind 98,9 % der Tatverdächtigen Männer aus dem sozialen und kulturellen Umfeld des Opfers. Opfer von Vergewaltigungen sind zu 95,3 % weiblich (Deutsche Kriminalstatistik 2006, Kap. 3.22, Tab. 91).

[Die Falschanzeigenquote bei Sexualdelikten liegt nach der jüngsten, rechtsvergleichenden Studie übrigens bei 3% (Liz Kelly/Jo Lovett, 2009)].

Doch die Falschbeschuldigungen sind in überwiegender Mehrheit keine erfundenen Vergewaltigungen, gelogen wird nur hinsichtlich der Identität des Täters. Aus Scham und dem Gefühl der Mitschuld, weil Opfer und Täter in einer Beziehung zueinander stehen, wird der Unbekannte (der aus dem Busch sprang) erfunden.
Die Mädchen täuschen also keine sexuellen Übergriffe vor, die hat es ja tatsächlich gegeben. Allerdings verändern sie unter dem psychischen Druck die „Rahmenhandlung“, weil sie Angst haben, aufgrund der Vorgeschichte mitschuldig zu werden. 
Interview mit Kriminalhauptkommissarin Heike Lütgert, Dozentin für Kriminologie und Kriminalistik an der FH für öffentliche Verwaltung NRW in Bielefeld

Als wenn eine gute Menschenkenntnis die Tat durch den Partner/ Bekannten/ Verwandten hätte verhindern können. Das Jemand dem man vertraut hat, einen Gewalt antut, ist ein besonders harter Brocken und führt zu einem Trauma. Der Verlust des Sicherheitsgefühls wiegt schwer. Aber nur weil man mit dem/der TäterIn befreundet oder gar liiert war, gibt man noch lange nicht die Herrschaft über seinen Körper ab. Man erteilt dadurch keine Universalgenehmigung "mach was du willst und wann du willst".


 

3. Minirock = selbst schuld?

Natürlich nicht. Die angeblich signalisierte Bereitschaft zum Sex durch Kleidung ( Minirock, Dekollete) oder Verhalten ( flirten )  hat keinen Einfluss auf die Wahl des Täters und noch wichtiger ist keine Rechtfertigung für sexuelle Gewalt. Dr. Beatrice Werner, ´Sexualtherapeutin, Lehrbeauftragte für Med. Psychologie, Autorin, sagt dazu:

Bislang konnte kein Zusammenhang hergestellt werden zwischen Kleidung und Auftreten einer Person und ihrem Risiko, vergewaltigt zu werden. Das heißt, nicht nur junge, aufreizend gekleidete Frauen werden vergewaltigt. Treffen kann es eigentlich jedes Mädchen und jede Frau, unabhängig von ihrem Alter, ihrem Aussehen, ihrer Kleidung, Nationalität oder Religion. Es gibt auch kein Verhalten, das eine Vergewaltigung ausschließt,  oder rechtfertigt! ( Ergänzung von mir)

Ein erschreckener Beleg dafür ,dass es um Macht und nicht um Miniröcke geht, ist die Studie vom "Report Mainz" 1000e Frauen wurden in Behindertenheimen missbraucht Waren die etwas zu sexy angezogen?


Mädchenmannschaft bloggt gegen-vergewaltigungsentschuldigungen
und vergewaltigt-und-selbst-schuld?
 



4. Vergewaltiger sind anormal, psychisch krank oder sexuell gestört

Vergewaltigungen sind sexuell motivierte Triebtaten? NEIN! Vergewaltiger weisen zu über 90% keine psychopathlogischen Auffälligkeiten auf. Es gibt keine biologische, psychische oder physische Ursache, die dazu führen könnte, dass ein Mann sein Sexualverhalten nicht kontrollieren kann - es gibt keine seriöse wissenschaftliche Grundlage dafür, dass Männer "triebgesteuert" sind. Vergewaltigungen sind nicht sexuell motiviert, sondern in erster Linie aggressiv motivierte Gewalttaten. Die Wissenschaft unterscheidet zwischen verschiedenen Täterprofilen. Der/ die TäterIn kann aus einem guten sozialem Umfeld mit normaler Bildung kommen und "symbolisch agieren",. Die Vergewaltigung ist bei ihm ein sexueller Ausdruck von Aggressionen. Oder der Täter kommt aus einem problematischen sozialen Umfeld mit niedriger Bildung und ist "dissozial", das heißt, er kann seine Aggressionen nicht unterdrücken. Nur eine sehr kleine Gruppe machen die "sadistischen Täter" aus, es sind weniger als fünf Prozent. Es gibt also nicht den Täter oder die Täterin.

Bei einem Punkt sind sich die Wissenschaftler aber einig.  
Sexualität wird als Mittel eingesetzt, um Frauen und Mädchen zu erniedrigen und Macht auszuüben. 

Britische Tv-Kampage die sich an die Täter richtet. telegraph: New rape campaign advert aimed at teenagers

 

5. Das war doch nur härterer Sex!

Vergewaltigung hat nichts mit Sex zu tun!  Wenn eine Frau "Nein" sagt, will sie nicht besonders hart genommen werden. Sie will dann einfach keinen Sex. Es besteht ein Unterschied zwischen flirten, zögern und einem "Nein". Ob das Nein geflüstert oder laut und klar ausgesprochen wird, spielt dabei keine Rolle. Bei einem Prozess werden blaue Flecke am Körper und Risse in der Vagina gerne vom Täter mit der Ausrede, "Wir mögen es eben etwas härter" entschuldigt. Damit versucht man das Opfer in eine Schmuddelecke zu stecken und unglaubwürdig zu machen. Freunde von SM-Sex wissen, es gibt REGELN dafür.  Die Kommunikation zwischen Sexpartnern die SM betreiben, ist mit Abstand am weitesten entwickelt. Nirgendwo sonst wird so genau gefragt und verhandelt wie weit man gehen darf. Wer harten Sex mag, hat dafür auch harte (klare) Regeln und ein Codewort für "STOP". Also No Excuse!

feministing stellt klar  rape-is-not-sex  

 

 

Die Mythen haben eines gemeinsam, sie unterstellen dem Opfer eine Mitschuld und suggerieren umgekehrt, durch richtiges Verhalten könnte eine Vergewaltigung verhindert werden.


"Die Frauen bauen sich damit eine Illusion der Unverwundbarkeit auf, um sich selbst aus dem Kreis der potenziellen Opfer auszuschließen.
... diese Frauen können sich einreden, sie könnten es beeinflussen, ob sie vergewaltigt werden oder nicht. Sie ( Mythen) erfüllen eine psychologische Funktion, bei Frauen Angstpuffer und Selbstwertschutz; Männer versuchen, mit Hilfe der Mythen die eigenen aggressiven Tendenzen zu erklären und zu rationalisieren.
 In angelsächsischen Ländern, wo mit Geschworenen gearbeitet wird, hat sich gezeigt, dass die allgemeine Vorstellung davon, was eine "richtige" Vergewaltigung ist, Laienrichter beeinflusst: Danach hat ein Vergewaltiger eine Waffe; er ist ein Fremder, der die Frau in der Dunkelheit überfällt... Stimmt der verhandelte Fall mit diesem Stereotyp nicht überein, sinkt die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung. Das verstärkt das Stereotyp: Wird der Täter nicht verurteilt, war es auch keine Vergewaltigung, heißt es dann."
Sagt Gerd Bohner Soziologieprofessor der Uni Bielefeld . Das ganze Interview in der Frankfurter Rundschau.

Die Verhaltensvorschläge für Frauen sind victim blaming  ( Schuldumkehrung ) und beeinflussen nicht nur die Opfer, sondern auch Richter, Anwälte und Gutachter in ihren Entscheidungen.


 

Links:

Initiatorinnen der Kampagne gegen sexualisierte Gewalt ichhabnichtangezeigt haben das Schweigen gebrochen. 1105 Betroffene haben ihre Geschichte auf der website erzählt. Die Schilderungen wurden ausgewertet. In einem offenen Brief an die BundesministerInnen Schröder ( Famile, Frauen ),  Schavan ( Bildung, Forschung ), Friedrich ( Inneres )  und Leutheusser-Schnarrenberger ( Justiz ) wird u.a. mehr Aufklärung, besseren Opferschutz und Fortbildung der Polizisten gefordert.

Gedankenspiel Peter Praschel konsturiert ein Gedankenspiel in der Süddeutschen - Eine Welt ohne Vergewaltigung

Justiz in-deutschland-herrscht-faktische-straflosigkeit-sexualisierter-gewaltdelikte/
Haben Opfer eine Chance? Emma interviewt Judith Lewis Herman, Professorin der Harvard Medical School, die seit den 1970er Jahren Opfer sexueller und häuslicher Gewalt therapiert.

Das Martyrium,  das die Opfer  nach der Tat durchmachen müssen, wenn Sie anzeigen, lässt der Bericht how-to-prepare-for-a-pelvic-exam-if-youre-a-sexual-assault-survivor  auf Jezebel erahnen.

Libby Anne von Love Joy Feminism klärt auf das r*pe auch laut der Bibel nicht erlaubt ist. rape-thats-a-kind-of-premarital-sex-right 

Rape Jokes
Nicht Feministinnen halten alle Männer für Vergewaltiger – Vergewaltiger tun es. Eine Perspektive, die sich auch in Witzen über Vergewaltigung niederschlägt. Männer sollten sich daher fragen, so Organon, wer über einen Witz lachen kann – Opfer oder TäterInnen – und wen sie damit unterstützen. rape-jokes-are-not funny

EDIT: Hilfsangebote vor Ort finden Betroffene auf frauen-gegen-gewalt

Erhellender Artikel von Robert auf yes means yes,  der mit dem Mythos Fremder aus dem Busch sowie den "Grauzonen" bei Vergewaltigungen ( lack on consens ) aufräumt. Basis sind Studien und Befragungen. Lesenswert! 

You can stop rape, in 4 Teilen beschäftigt sich high on cliches mit rape culture ( z.B. Verharmlosung in Freundeskreis, fehlende Solidarität mit Opfern ) und erläutert was sich in der Gesellschaft ändern muss, damit Vergewaltigungen verhindert werden können. Der Artikel enthält viele wertvolle Denkanstöße und ist das Beste was in in letzter Zeit zu diesem Thema gelesen habe.

1 Kommentar:

  1. Gute Zusammenfassung über Forschungsstand zu Vergewaltigungsmythen - viele gute Links! Lesenswert!! Danke (Inge - eine von den ichhabnichtangezeigt Initiatorinnen)

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